Christian Kähler (2.3) und Maria Frentz (2.4)

Der am 20.Mai 1851 geborene Christian Kähler wird wie sein Vater Tagelöhner am Groß Brützer Hof, heiratet mit 26 die gleichaltrige Maria Frentz (2.4), die auch aus Groß Brütz stammt. Auch sie haben einen ganzen Stall voller Kinder, wie Oma Rieke (3.2) es ausdrückt. Christian hebt sich als Persönlichkeit sehr unter den Tagelöhnern heraus, zieht sich proper an, ist ein flotter Tänzer, stattlich in jeder Hinsicht. Aber durch seine Tätigkeit des Butterns nennen sie ihn etwas respektlos “Botter-Köhler”. Bei den Dorffesten darf er immer mit „Gnää Fru“ einen flotten Walzer aufs Parkett legen. Trotz des Strebens nach dem Feinen ist man im Leben nolens volens sehr bescheiden. Oma Rieke berichtet, dass es keinen Weihnachtsbaumbehang gab, kein Konfekt und keine Schokolade. “Jeder kreeg ne Määlpop” als Spielzeug, das man, sobald es genügend schmutzig war, immer noch aufessen konnte.

Oma Rieke berichtet weiter von langen Winterabenden bei trüben Kerzen: oder Kienspanbeleuchtung. Man spinnt selbst angebauten Flachs oder Schafwolle. Der Flachs hat vorher schon viel Arbeit verursacht. Man musste ihn braken, d.h. so lange schlagen, bis sich die Fasern lösen lassen. Maria und ihre Töchter müssen viel spinnen, nicht nur, weil sie alle einigermaßen angezogen sein wollen, sondern jede Tochter soll auch eine gute Aussteuertruhe mit “eegenmakt Linnen” bekommen. Das Bettzeug, die Tischtücher usw. sind so dauerhaft, dass man sie zeitlebens nicht zu ersetzen braucht. Weben können die meisten Frauen auch selbst, haben aber nicht alle einen eigenen Webstuhl. Die Bearbeitung der Schafwolle ist nicht minder langwierig. Der Weg bis zur fertigen Jacke oder selbstgestrickten Strümpfen ist mühsam. So ist der Winter gleichermaßen mit Arbeit ausgefüllt wie der Sommer. Vom Frühjahr bis zum Herbst reicht die Arbeitszeit vom ersten Sonnenstrahl am Morgen bis zum letzten am Abend. Der Lohn auf dem Gut ist gering. Die Gutsherren verstehen es, die Tagelöhner auszubeuten. Diese kennen es nicht anders und sind kaum aufsässig. Am meisten fürchten sie böse Krankheiten, denn eine soziale Absicherung fehlt.

Sonntags holt man, wie Oma Rieke weitererzählt, das beste Zeug für den Kirchgang aus dem Schrank. Das ist Modenschau und für die heiratsfähigen Kinder gleichzeitig Brautschau.

Tochter Minna, die „Fieken“ genannt wird, weil „Gnää Fru“ nicht umlernen will, wird von einem der vier Brützer Bauern umworben. Von Riekes Schwestern macht sie die beste Partie. Ihr Mann, Johannes Möller, der gleichzeitig Kirchenjurat ist, erweist sich als äußerst gutmütig, aber Friederike (3.2) ist mit Wilhelm (3.1) auch nicht betrogen. Das Leben einer Schusterfrau ist angenehmer als das einer Tagelöhnerfrau.

Maria Kähler stirbt mit 72 in Schwerin, und Christian „Botterköhler“ bringt es sogar auf 82. Das langlebige und stabile Geschlecht der Kähler müsste die Wöhlsche Degeneration auf Dauer wieder wettmachen.

Das obige Foto der Groß Brützer Kirche stammt von Klostermönch
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