Wir beginnen die Ausführungen über Martin und Bertha mit deren obigem Hochzeitsfoto von 1918.
Der 1892 geborene Martin Rüchel, Sohn von „Nauber“ (3.5) und Caroline (3.6), kommt über den Hafen von Stolpmünde in die Nähe von Saleskerstrand und so zu Bertha Stöckmann. Mutter Mathilde Stöckmann (3.8) will zwar von einer Heirat der beiden Liebenden nicht viel wissen, denn sie strebt nach Höherem. Ihr Idol ist ein Lehrer. Die äußerst intelligente Bertha würde sicher eine gute Lehrersfrau werden. Aber sie ist auch willensstark und läßt sich in ihren Heiratsplänen nicht beirren. Auch Vater August Stöckmann (3.7) möchte nicht, daß eines ihrer Kinder das harte Los auf dem Strand fortsetzt. Darum setzen sie alles daran, ihre Kinder Lehrer werden zu lassen bzw. gut zu verheiraten.
Martin und Bertha treten nun doch die Nachfolge auf dem Strand an, und Mutter Mathilde muß als Altenteilerin ihre Herrschaft aufgeben, so schwer es ihr auch fällt. Martin fühlt sich von ihr oft erniedrigend behandelt. Der ohnehin zum Explodieren veranlagte Mann fährt dann aus der Haut. Weitere Probleme wie Geldnot begünstigen ein glückliches Eheleben ganz und gar nicht, zumal Geld für Martin viel bedeutet. (siehe Berthas Briefe an Schwester Frieda ab 1920)
Bertha ist zwar selbstlos und wirtschaftet gut, aber viel Pech in der Wirtschaft macht es zwingend nötig, daß Martin zusätzlich nach Stolpmünde arbeiten fährt. 10 km An- und Abfahrtsstrecke bei jedem Wetter auf schlechtem Weg sind allein schon eine Leistung. Die Kühe bekommen, wenn sie eine bestimmte Pflanze fressen, das Rotnässen, geben dann kaum mehr Milch und verenden zumeist. Auch die rohrgedeckten Gebäude verlangen hohe Aufwendungen. (siehe z.B. Brief von Bertha an ihre Schwester Frieda vom 1.3.1932)
Drei Kinder werden geboren: Ernst, Georg und Annemarie (5.2). Sie wachsen schon mit dem Ernst des Lebens auf. Die Jungen gehen fischen, und Annemarie hilft ihrer Mutter sehr bei der Versorgung der Tiere. Für den Verkauf der Fische ist Georg der beste Geschäftsmann, während Ernst dafür zu gutmütig ist und sie lieber verschenken würde.
Natürlich sind auch die Schulverhältnisse in dem kleinen Dorf mit der einklassigen Schule ungünstig. Aber die Jungen sind strebsam und schaffen sich durch Abendkurse usw. eine sehr gute berufliche Grundlage. Leider kehren beide aus dem zweiten Weltkrieg nicht zurück.
Die schmächtige Annemarie soll ihr Leben nicht länger mit Wasserschleppen und anderen schweren Arbeiten verbringen. Es gelingt, sie bei der Post unterzubringen in der Fernsprechvermittlung.
Die anderen Stränder sind darauf sehr neidisch und verringern ihre Hilfsbereitschaft gegenüber „Kräugers“, wie die Familie immer noch genannt wird.
Der zweite Weltkrieg geht zu Ende (siehe Briefe von Bertha an ihre Schwester Frieda und Tochter Annemarie). Die Russen rücken auch in Saleskerstrand ein und benehmen sich wie die Barbaren, aber immer noch nicht so schlimm wie die nachrückenden Polen. Martin und Bertha wollen nicht flüchten ins Ungewisse. Sie sind froh, daß Annemarie die anhaltenden Missetaten der Russen und Polen auf dem Strand nicht erleben muß. Sie ist in Stettin und flüchtet von dort in den Westen. Leider ist die Verbindung für lange Zeit abgerissen. 1947 haben sich die Polen in Pommern so weit etabliert, daß sie die restlichen Deutschen ausweisen. Vielleicht sind Martin und Bertha auch gar nicht mehr so böse über ihre Ausweisung, weil die jahrelang anhaltenden Grausamkeiten, Gemeinheiten und Demütigungen zermürben, aber es ist schon hart, die heimatliche, schweiß getränkte Erde verlassen zu müssen, um in der Fremde aus dem Nichts eine neue Zukunft aufzubauen. Schließlich sind sie nicht mehr die jüngsten. Mutter Bertha erzählt später ihre Erlebnisse mit dem Russen und Polen oft. Sie vergißt es auch nicht zu würdigen, wie tapfer sich Martin oft zur Wehr gesetzt hat. Ihre Ehe ist jetzt nicht mehr so voller Spannungen.
Eine neue Bleibe finden Martin und Bertha bei Berthas jüngster Schwester Frieda in Altdöbern. Diese hat dort eine Landwirtschaft. Ihr Mann Gotthold Zoch ist leider in den letzten Kriegstagen noch gefallen, aber mit ihrem zweiten Mann, Wilhelm Grieger, wird sie noch sehr glücklich. Die älteste Schwester Anna, die auf dem Gut Saleske Mamsell war, ist mit Martin und Bertha auch mitgekommen. Sie wirtschaften nun alle in Altdöbern in der Niederlausitz. Vater Martin geht noch bis weit über das Rentenalter hinaus arbeiten, so dass sie den Grieger nicht zur Last liegen (Sie wohnen zunächst auch in einer eigenen kleinen Mietwohnung in der Nähe und ziehen erst später in das Haus von Griegers Am Markt 14). Leider können Annemarie und Bruno den Alten keine Bleibe und Hilfe bieten, weil sie selbst noch als Flüchtlinge in Taarstedt leben und Bruno noch nicht wieder bei der Post ist.
Frieda hat aus erster Ehe zwei Töchter: Annemarie und Christel (siehe obige Bilder, die diese mit Annemarie und Martin Rüchel in Salesker Strand, letzteres am Friedhofseingang zeigen).
Aus Altdöbern kurz vor dem Krieg gibt es auch noch Fotos von Familie Zoch, als Annemarie zu Besuch ist:
Annemarie Zoch heiratet Alfred Hoppe, wird geschieden, heiratet dann Hermann Krause, wird erneut geschieden und lebt endgültig in Berlin, ohne daß sie sich von Hermann ganz trennt. Christel heiratet Heinz Aberspach. Beide haben studiert und haben (während der DDR-Zeit) hohe Posten in Berlin, er als Dozent, sie im Ministerium. Ihre drei Kinder heißen Gabriele, Bärbel und Ralf. Annemaries Kind Evelyn (geb. 17.4.1954, gest. 6.7.2016) wächst bei der Oma in Altdöbern auf und heiratet den Maurer Gerd Lau.
Berthas Bruder Max, der bis zum Zusammenbruch Studienrat in Stolp ist, wird ebenso wie sein Sohn Siegfried nach Rußland verschleppt. Beide kommen nicht zurück. Maxens Frau Marie lebt noch bis 1980 in Berlin.
Familie Erich Stöckmann 1934
Erich Stöckmann mit 2. Frau 1956
Berthas Bruder Erich Stöckmann war schon im ersten Weltkrieg in russische Kriegsgegangenschaft geraten. Unter abenteuerlichsten Umständen gelang ihm damals die Flucht über tausende von Kilometern. In Bad Polzin ist er bis zum 2. Weltkrieg Rektor. Im Krieg bringt er es bis zum Major. Mit seiner Frau Marie hat er zwei Töchter: Ruth, das besonders schöne Germanenmädchen, und Dietgart, die beide in Westdeutschland heiraten. Ihre humorvolle Mutter Marie bekommt ein schweres Augenleiden und stirbt unter sehr tragischen Umständen.Erich, der charmante Sechziger, fühlt sich noch rüstig genug, um eine viel jüngere Lehrerin zu heiraten, aber bald stirbt er an Krebs.
Der dritte Lehrerbruder Gerhard ist mit seiner Frau Erika und seinen beiden Kindern Hans-Dieter und Gudrun bis zum Krieg in Radensfelde ansässig, später in Göttingen. Hans-Dieter wird Studienrat, stirbt aber früh. Gudrun heiratet Kais Lehrer Gerd Bierbaum und hat mit ihm vier Kinder: Axel und Enno sowie die beiden älteren Mädchen Ulrike und Heike.
Paul und Gertrud Stöckmann Anfang der 1950er Jahre
Paul Stöckmann mit Frau Gertrud in Hoisdorf 1959
Bruder Paul Stöckmann wird Förster in Strachmin (Pommern). Mit seiner Frau Gertrud muß auch er flüchten und in Erfde in Schleswig-Holstein eine neue Heimat finden, was ihm, der besonders Heimat verbunden ist, sehr schwer fällt. Der Sohn kehrt aus dem Krieg nicht zurück, während Tochter Waltraut zwar Lehrerin wird, aber bald krankheitshalber vorzeitig zur Ruhe gesetzt werden muss. Sie lebt in Kayhude bei Ahrensburg.
Berthas Bruder Albert erlebt nur die Wirren des ersten Weltkrieges.
Schwester Anna, die Mamsell, heiratet 1913 Max Dabrunz. Der fällt schon in den ersten Kriegstagen. Ihr Sohn Kurt wird Förster in Liepgarten bei Ückermünde und heiratet Inge Hamm. Sie bekommen einen Sohn Eckhard. Anna bleibt bis zum Zusammenbruch auf dem Belowschen Gut in Saleske und schließt sich dann Martin und Bertha an.
Über Martins Geschwister kann man wegen des geringen Kontaktes kaum etwas berichten. Seine Brüder August, Daniel und Wilhelm bleiben als Fischer zunächst in Dievenow, heiraten dort und flüchten mit ihren Familien 1945 nach Kölpinsee auf Usedom. Wilhelm hält die Stellung in Westdievenow.
Martins Schwester Therese *1903, konfirmiert 1917 in Fritzow, die seit dem 15. Lebensjahr in Berlin arbeitet, heiratet dort einen Mann, der sie um ihr Geld bringt, wird geschieden und findet dann in Elektriker Sakolowski einen guten Ehepartner.
Die besonders lustige Schwester Emilie Auguste *1902 heiratet 1930 in Berg-Dievenow den Zimmermann bzw. Schmied Albert Schwanz aus Züns auf Wollin. Sie finden nach der Flucht in Schwarzenbek bei Hamburg ein neues Zuhause. (Kursive Informationen wurden später von Hans-Dieter Wallschläger freundlicherweise zur Verfügung gestellt.)
Mehr Informationen sind über die Rüchels und Stöckmanns leider nicht erhältlich. Die Verwandtschaft ist in alle Winde verstreut, und der Kontakt reißt ab.