Welche Erinnerung hast du an deine Mutter?
Meine Mutter war die zentrale Bezugsperson für uns Kinder. Sie war liebevoll, fürsorglich, mitfühlend und um das Wohl ihrer Kinder oft zu sehr besorgt. Ihre Kinder sollten es einmal besser haben, als sie es in den ärmlichen Verhältnissen ihres Zuhauses und vor allem während des Krieges und danach erlebt hatte. Hohes Ansehen hatten für sie Leute mit höherer Bildung und einem gesicherten monatlichen Einkommen, wie es einige ihrer Onkel, die Lehrer, Förster u.ä. geworden waren, erreicht hatten. Für sich selbst hatte sie mit meinem Vater einen solchem Partner gefunden, der das Gymnasium besucht hatte und als gehobener Beamter diese angestrebt Sicherheit bieten konnte. Besonders bei mir stachelte sie meinen Vater immer wieder an, dass er mit mir für die Schule üben sollte. Speziell in Deutsch, beim Lesen, der Rechtschreibung und vor allem beim Aufsatzschreiben, später auch bei den Sprachen tat ich mich ab der 4. Grundschulklasse bis in die Mittelstufe des Gymnasiums hinein recht schwer. Rückblickend war dies tägliche Üben am späten Nachmittag objektiv hilfreich gewesen und hat mich sicherlich auch vor vielen schulischen Misserfolgen bewahrt, trotzdem hatte ich damals für diesen Drill keinerlei Verständnis. Bei Prüfungen, ganz besonders bei der Aufnahmeprüfung zum Gymnasium, und danach bei allen Klassenarbeiten hat meine Mutter meist viel mehr gebangt als ich. Glücklicherweise wurde sie ja fast stets positiv überrascht, da sie ebenso wie mein Vater immer das schlechtest mögliche Ergebnis erwartet hatte.
Anders als mein Vater hatte sie auch von Ärzten eine hohe Meinung und erwartete oft Wunderdinge. Als Kind hatte ich damals in Düsseldorf über lange Jahre einen chronischen Schnupfen und deswegen schleppte sie mich auf Empfehlungen von Bekannten zu diversen Ärzten, die konventionelle oder homöopathische Arzneien, eine Vielzahl von speziell gemischten Tees verschrieben oder Mandel-/Polypenoperationen empfahlen. Zuhause brauchte ich unter den abschätzigen Bemerkungen meines Vaters dann diese Medikamente/Tees lediglich ein- bis zweimal auszuprobieren und konnte sie dann weglassen, weil ja, wie mein Vater richtig vorausgesagt hatte, keinerlei Besserung eingetreten war.
Welche Erinnerung hast du an deinen Vater?
Mein Vater spielte entsprechend dem traditionellen Familienverständnis die Rolle des Oberhaupts und Ernährers der Familie. Mit uns Kindern hat er kaum gespielt, war aber, wie oben beschrieben, für die Schulnachhilfe zuständig. Als Kinder sollten wir ihn bei seinen vielfältigen technischen Basteleien nach der Arbeit möglichst wenig stören und, da „Kinder alles kaputt machen“, durften wir speziell seine Sachen wie Werkzeuge, Radio und Plattenspieler sowie deren Ersatzteile und Fotoapparate nicht anfassen. Sein Werkzeug, speziell den Lötkolben, habe ich in seiner Abwesenheit später oft genutzt. Wahrscheinlich hat er es auch gemerkt, aber dann doch nichts gesagt. Zu Weihnachten und zum Geburtstag erhielten wir in den frühen Jahren oft Spielzeug, dass er abends für uns gebastelt hatte (Schubkarre, Trafo für elektrische Eisenbahn, Puppenhaus für Rita, später auch Radios oder Audio-Verstärker).
Die große Leidenschaft meines Vaters waren Camping-Reisen, vorwiegend in Richtung Norden. Meine Mutter teilte diese Vorliebe nicht so, da speziell das Kochen in dieser Umgebung aufwendig war und, wenn es regnete, kalt und nass war, auch das Zusammenleben auf so engem unbequemen Raum schwierig war. Zuerst hatten wir nur ein kleines Armee-Zelt aus zwei Zeltbahnen. Rita und ich schliefen dann immer im Auto. Später hat meine Oma ein großes Zelt auf ihrer Nähmaschine genähnt (siehe Bild), das allerdings beim ersten stärkeren Sturm in Fetzen ging. Später wurde aufgerüstet in Richtung Steilwandzelt, VW-Bus, Benzin- und Gaskochanlage, Teppiche. Auf diesen Reisen hat mein Vater manchmal seine zurückhaltene distanzierte Haltung gegenüber uns Kindern auch aufgegeben. So durften wir manchmal abends ein Lagerfeuer machen und 1963 war er es, der zur Verblüffung aller vorschlug, auf der nur mit unserem Faltboot zu erreichenden kleinen Insel Kieholm in der Schlei wild zu campen. Nach dem Urlaub hat er mit mir für das Boot eine Paddelmaschine aus einem alten Moped-Motor gebaut, die allerdings den Nachteil hatte, Wasser ins Boot zu schleudern und sehr schnell war auch Wasser im Motorvergaser, so dass der Motor ausging und die Vergaserdüsen vor dem nächsten Anlassen ausgepustet werden mußten. Dies zwang zum Bau von Seitenscheiben, durch die man hinten ziemlich dem Funktionieren der Paddelmaschine ausgeliefert war. Bei unserem 2. Urlaub an der Schlei 1964 hatte ich viel Spaß mit der Paddelmaschine (siehe nachfolgenden Film entweder im mp4-Format für MS- und Apple-Browser). Zuhause auf dem Rhein war sie allerdings nicht verlässig genug, so dass mein Vater einen alten Vorkriegs-Bootsmotor mit Schraube an langer Stange besorgte. Später kam ich über ihn auch zu einem alten Moped von der Post und später auch zum ersten eigenen Auto.
Wie waren deine Mutter und dein Vater als Eltern?
Streng? Großzügig? Viel weg? Unterstützend?
Verglichen mit den Eltern von gleichaltigen Freunden waren meine Eltern nicht streng, sondern eher großzügig und unterstützend. Es wurde zwar oft von Prügel geredet, gab sie aber bis auf Ausnahmesituationen nicht. Auch Hausarrest oder länger anhaltende Verbote waren bei uns als Strafe nicht üblich. Für die Erziehung war ohnehin meine Mutter zuständig und so gab es bei uns auch die die andernorts oft gehörte Drohung nicht: „Warte nur, bis Dein Vater nach Hause kommt!“. Statt durch Strafen setzte meine Mutter ihren Willen meist durch permanentes Nerven „Hast Du das … jetzt endlich gemacht?“ durch. Bei Anliegen, die sie stärker emotional berührten, wurde sie deswegen auch öfter einmal krank und übte so Druck in der Familie aus.
Hinsichtlich kleinerer Dinge war meine Mutter großzügig, größere Geschenke waren bei meinem Vater eher durchsetzbar, besonders dann, wenn sie auch aus seiner Sicht erstrebenswert waren (z.B. das oben bereits gezeigte Faltboot). Wenn das Ansinnen im Raum stand, sich etwas von ihm ausleihen zu wollen, dann besorgte er das Gerät, vom Fotoapparat bis hin zum Auto, lieber noch einmal, ehe es mit einem der Kinder zu teilen musste.
Meine Eltern waren abgesehen von Urlaubsreisen, an denen manchmal eine von den Großmüttern zu Hause auf uns Kinder aufpasste, immer daheim. In ein Wirtshaus sind sie fast nie, auch nicht im Urlaub, ausgegangen.
Was habt ihr als Kinder gespielt?
Wie fast alle Kinder haben wir in der Zeit, wo wir im Schloß Bockdorf gelebt haben, oft draußen mit Eimer und Schaufel mit lockerer Erde gespielt. Gern haben wir uns auch in den Rhododendron-Büschen des etwas verwilderten Parks versteckt, dort ein Lager gebaut oder auf dem langen Ast eines Baums geschaukelt. Auch später noch bin ich gern in den Bäumen herum geklettert.
Ein erstrebenswertes Prestige-Spielzeug speziell in der Weihnachtszeit, mit dem ich aber relativ wenig Zeit verbracht habe, war die Modelleisenbahn, zunächst zum Aufziehen, später elektrisch H0 von Trix-Express mit von meinem Vater gebauten elektrischen Komponenten. Mehr habe ich drinnen mit alten Steinbaukästen oder Stabilbaukästen gespielt, die noch von meinem Vater stammten, allerdings nicht mehr ganz vollständig waren. Lego-Bausteine gab es damals noch nicht. Sie kamen erst in den 60er Jahren auf und waren damals ziemlich teuer.
Ein Geschenk, über das ich mich damals ganz besonders gefreut hatte und das ich zu meinem 6. Geburtstag kurz nach unserem Umzug nach Düsseldorf bekommen hatte, war ein Ballonroller. Gern bin ich später auch Rollschuh gelaufen und Fahrrad gefahren.
Da ich nicht gern gelesen habe, außer Schund wie Micky Maus- oder Fix- und Foxi-Hefte, an die manchmal Freund Helmut Fockenrath herankam, bekam ich trotz der nachdrücklichen pädagogischen Bedenken der Grundschullehrer dann doch ein Abonnement von Micky Maus. Angeregt von den Hörspielen im sonntäglichen Radio-Kinderprogramm habe ich mir dann einen Leseausweis bei der Stadtbücherei besorgt, um vor allem an die wenigen und meist ausgeliehenen Kalle-Blomquist-Bücher oder an Kästner-Jugend-Bücher heranzukommen. Ich habe aber dann auch viele andere Bücher, vor allem Reisebeschreibungen („Mit dem Fahrrad um die Welt“, „Mit dem Paddelboot auf dem Amazonas“, …) und Abenteuerromane von Jule Verne u.ä. gelesen.
Als Hobby entdeckte ich während der Grundschulzeit die Zierfischhaltung im Aquarium. Los ging es mit 2 Goldfischen, die ich vom Vater von Freund Helmut geschenkt bekam, über diverse Warm- und Kaltwasserfische. Bis zu 18 kleine Aquarien habe ich zeitweise besessen und vor allem Labyrinth-Fische, speziell den seltenen „Knurrenden Gurami“, aber auch Maulbrüter-Buntbarsche gezüchtet.
Wie war das Leben mit deinen Geschwistern?
Da ich mich an die Zeit in Taarstedt, also an die ersten zwei Lebensjahre nicht erinnern kann, war meine Schwester Rita von Anfang an da und wir kamen m.E. bis auf kleine übliche Rangeleien gut mit einander aus. Da sie sehr viel kommunikativer als ich war und meist auch sehr viel nachdrücklicher, wenn auch nicht immer erfolgreicher, ihren Standpunkt vertrat, sowie stets viele Freunde um sich herum hatte, habe ich sie meist bewundert, aber sie nicht immer so unterstützt, wie ich es rückblickend hätte tun sollen (siehe Bilder von Ritas Theaterclub 1961 oder ihrer Karnevalsparty 1962).
Jan, der 6 Jahre jünger als ich ist, hatte es nicht leicht, der Dritte im Bunde zu werden. Meine Oma, die kurze Zeit zuvor zu uns nach Bockdorf übergesiedelt war, kümmerte sich zusammen oder vielleicht auch etwas in Konkurrenz mit meiner Mutter um ihn und beide waren stets zu seiner Unterstützung zur Stelle, wenn es zu kleineren Streitereien untere Geschwister kam. Einen kurzen Einblick in das Leben damals gibt der im Urlaub 1960 entstandene Filmausschnitt:
Hast du mal Streiche gespielt?
Welche? Wurdest du bestraft?
An richtig lustige Streiche kann ich mich nicht erinnern. In Düsseldorf kam es vielleicht einmal vor, das ich beteiligt daran war, Nachbarn durch „Klingelmännchen“ zu ärgern, die sich oft über uns aufregten, weil wir eine Abkürzung über den Rasen vor dem Haus nahmen oder sich in der Mittagszeit von Lärm gestört fühlten. Ansonsten habe ich mich manchmal über Verbote hinweggesetzt. Wegen der Gefahren sollten wir ausgebombte Häuser, von denen es damals noch viele in Düsseldorf gab, nicht betreten. Auch das Überklettern des Zauns zum Bahndamm, der hinter der Siedlung vorbeiführte, und wo man sich gut in dem Gestrüpp verstecken konnte, war für uns Kinder zeitweise sehr attraktiv. Das Überschreiten der Gleise hin zu den Gemüsefeldern von Hamm war schon eine ziemliche Mutprobe, da es an der Bahnstrecke angeblich Aufpasser gab. Zudem lag am Bahndamm noch ein Schrebergarten, in dem es in manchen Sommern die gelben Pflaumen gab. Sie wurden von uns Kindern meist schon grün geerntet. Abgesehen von dem Gemecker einiger Erwachsene, die uns beobachteten, und Ermahnungen gab es dafür keine Strafen.
Was war dein Lieblingsessen als Kind?
Was mochtest du gar nicht?
Was gab es oft für ein Essen?
Wie ist es heute?
Ich mochte gern süße Gerichte, wie Arme Ritter, Hefeklöße, süße Milchsuppen, Pudding mit Eischnee, Fruchtgrütze u.ä.. Von Fleischgerichten, die es allerdings selten gab, war mir ein Hühnerbein am liebsten. Ich hab aber auch gebratene Blutwurst mit dick Zucker drauf gegessen. Gar nicht mochte ich Bratkartoffeln, die glitschig von Fett waren. Auch Gemüseeintöpfe mit viel wässriger Brühe haben mir nicht geschmeckt. Rosenkohl mochte ich auch nicht. Das häufigste Essen war Salzkartoffeln mit Gemüse. Da mein Vater nur das aß, was er kannte und über alles andere sehr abwertende Bemerkungen machte, gab es nur wenig Abwechslung. Nudeln und Reis waren schon seltene Ausnahmen. Pizza und Pommes Frites, die später aufkamen, hat er, so glaube ich, nie gegessen. Meine frühen Vorlieben beim Essen haben sich weitgehend erhalten. Aber es gibt inzwischen sehr viel mehr, was ich kennen und schätzen gelernt habe. Rosenkohl esse ich übrigens heute auch gern.
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