19.1.1946 Brief von Tante Frieda an Annemarie

Altdöbern, den 19.1.1946


Mein liebes Annemariechen!
Herzl. Dank für Deinen lb. Brief, den wir gestern erhielten, geschr. 4,1. u. sage Dank für den heutigen vom 8.1.46. Diese Briefe, bes. der heutige ist ja nicht lange gegangen – 11 Tage. Vor wann war denn unser Brief? Du mußt schon unseren bekommen haben? Bekamst Du das Telegramm vor Weihnachten? Nur das jetzige, in dem ich Dir künde, daß Mutter und Anna in Saleskerstrand leben? Ach Du bekommst ja so viel Post, Annemariechen, so war es doch wohl noch nicht, daß sich der Sturm gelegt hat. Doch ich schieb dir schon davon. Erlös den H. bitte bald aus seiner quälenden Ungewißheit. Ich glaube doch, daß er es sehr gut und aufrichtig meint. Vorgestern schrieb Lotte Mayer. Schade, daß du die richtige Adresse nicht hier bekamst. Herr Brandt war vielleicht über die Grenze gekommen. Er fuhr am 9.1. u. schrieb mir einen Brief aus ?Rizzach am 18.1. Nun muß er schon wieder an die Heimreise denken. Der Wolfgang, der recht krank war (Durchfall), ist wieder ganz gesund, dafür liegt Gerda mit Erkältung zu Bett. Hoffentlich wird nichts Ernstes daraus. Gestern hatte Onkel Bauer Geb. Frau Hoy und ich waren abends ein bißchen da. Frau Bauer hatte am 4. Geb., da war ich mit Herrn Brandt da, gab es für jeden ein Tellerchen Kuchen. Gestern hatten sie nur von zwei Kartoffel… . Onkel B. war mehr als beglückt, daß wir überhaupt an ihn dachten. – Die Kinder, ach Christel holt immer Bücher aus der Leihbücherei u. A. liest mir vor. – Wir hatten zweimal Wäsche. Bald ist alles trocken. Montag wollen wir noch einmal waschen. Schade, daß das Seifenpulver so knapp ist. Eben ist der Feger da um den Kessel nachzusehen. Wenn wir heizen, ist Annas Schlafstube voller Rauch. Doch nun zu dir, Annemariechen, daß Schwester Friedel Recht behalten würde und du nicht mehr wieder kämst, hätte ich nicht gedacht. Christel geht zur Post, darum Schluß.
Innigste Grüße dir u. allen die dich lieb haben
Deine Tante Frieda