16.11.1923 Brief von Mathilde an Tochter Frieda

Brief von Mathilde Stöckmann an ihre Tochter Frieda im Schloss Altdöbern während der Hyperinflation kurz vor der Heirat von Frieda mit Gotthold Zoch und der Geburt von Mutter Annemarie Wöhl geb. Rüchel

Salesker=Strand, d. 16.11.1923
Mein liebes Friedchen!
Den lieben Brief, den du nach deinem Geburtstag uns geschickt hattest, hat mich recht erfreut. Vielen Dank dafür. Hast Du die 2 Billionen Mark erhalten? Gib uns doch bitte mal Nachricht. Ich wollte dir 3 schicken, aber es war Notgeld und das wärst du da nicht los geworden. Nun hat Berta dir 3 Meter Stoff zum schwarzen Rock dafür gekauft. Sie hat aber noch 50 Millionen zulegen müssen natürlich von meinem Geld, also nun kannst du dir denken, was ich für einen Schreck bekam, als sie sagte der Rock ungenäht 1 Billion 50 Milliarden. Soll ich den Stoff dir zu Weihnachten schicken und du lässt dir den Rock dort nähen oder soll er zu Hause bleiben und du nähst ihn hier. Was meinst du, wann wirst du nach Hause kommen? Ich glaube, du kommst schon den 1. Januar, wenn Fräulein Traband Ersatz bekommt, sonst wirst du nicht mit allem fertig. Du sollst nur für dich arbeiten und sollst dich auch etwas ausruhen. Brot habe ich so viel für dich; denn das bisschen Gehalt was du bekommst, da kannst du dir doch nichts für kaufen, andere Mamsell bekommen 2 Ltr. Rogen und das ist auch noch nicht genug. Nach der Goldmark berechnet, müsste es 3 Ltr. geben. Dass deine Hochzeit im April wird, freut mich. Denn im Mai kommt Berta in Wehen, dann würde ich nicht kommen können. Ich wollte Dir doch Gardinen kaufen, aber das ist unmöglich, wo soll ich das Geld hernehmen. Bitte doch mal Fräulein Traband, ob im Schloss nicht für dich soviel übrig ist.

Ich habe den Kopf so voll, ich muss Tag und Nacht an dich denken und wo wirst du das Reisegeld hernehmen. Das wird sicher ein paar hundert Millionen kosten, denn es wird ja alle zwei Tage teurer. Wie weit sind deine Sachen fertig und was hast du noch zugesagt? Ich lege die noch 100 Milliarden in den Brief, damit du wieder schreiben kannst. Gib bitte bald Nachricht, ich glaube das Porto wird von 20 wieder erhöht. Eine Goldmark stand heute schon 600 M

illiarden. Wie soll dies bloß enden?
Liebes Kind, wir wollen Gott vertrauen, der wird ja wohl alles wenden. Wenn wir man gesund sind, dann wird ja alles werden. Ich denke so oft wer auf den lieben Gott vertraut, der hat nicht auf Sand gebaut. Wie … liebes Kind, ist unser Schweinstall leer, das letzte Schwein blieb auch noch tot. Ich dachte immer, es wäre ein Traum, aber nein, es ist Wirklichkeit, ich war ganz kopflos, wie kann das bloß möglich sein. Die Schweine waren so gesund und arteten sich so gut und fraßen so schön und mit einmal alle eins nach dem anderen krank und tot. so etwas habe ich noch nicht gehabt. Es war Rotlauf.
Nun lebe wohlliebes Friedchen
Gott schütze dich und das du mir gesund bleibst.
Es grüßt und küsst dich deine dich liebende Mutter

Auch viele Grüße am Fräulein Trabant und an die anderen lieben Mädchen im Schloss

Liebes Friedchen sei man immer sehr nett zu Fräulein T. , denn die meint es sehr gut mit dir. Die längste Zeit bist du gewesen.