__.3.1946 Blatt eines Briefs von Tante Frieda an Annemarie

Von nachfolgendem Brief ist leider nur ein mittleres Blatt erhalten geblieben. Tante Frieda dürfte ihn im März 1946 geschrieben haben, nachdem sie erfahren hat, dass Annemarie Bruno heiraten will und nicht nach Altdöbern zurückkehren wird.

… Ich war zuerst wie zerschlagen. Aber es gibt ja nur ein Leben, nur deine Zukunft. Wenn es nur nicht so weit wäre! Wenn es bis Berlin wäre, wäre ich schon bei dir gewesen, aber so! Ach, was ist man doch selbstsüchtig! Vielleicht bin ich ja nun aber doch so stark, dass ich dies Alleinsein und Alleinsorgen bewältigen kann, sonst wärst du mir doch nicht genommen worden.
Unsere Annemarie ist jetzt mein großer Kummer. Sie, die dich über alles liebte, hasst dich auf einmal. Hasst dich, weil du nicht wiedergekommen bist. Täglich kostet dies einen Kampf mit meinem Kind. Ach , wenn du ahntest, wie mir das wehe tut. Ist es Unverstand oder Dummheit, ich weiß es nicht. Ich kann mit Güte oder Strenge belehren, alles umsonst. Vielleicht hatten sie sich zu sehr auf dich und mit dir auf den Winter gefreut! –
Du schreibst wegen deinen Sachen. Kommt dieser Herr nun nicht mehr? Lieber wäre es mir ja auch, wenn

du selber oder mit Bruno kämst. Letzteres wäre wohl das Beste. Ihr müsst mit gar keinem Gepäck kommen, damit ihr von hier mitnehmen könnt. Du musst dir doch dein Teil vom Schweinefleisch holen, ebenso dein Brotmehl. Kartoffeln zu holen, ist zu schwer. Vielleicht könntet ihr aber Koffer aufgeben. Also kommt so bald wie möglich. Wenn Bruno es also für ein Leben mit dir wagen will, muss ich ihn doch liebhaben um Deinetwillen. Jeder Tag, jede Stunde ist mir recht, wenn ihr nur kommt!! – Was sollte ich nun alles antworten. Ich muss nur erst deinen Brief von gestern holen. Ich lese ihn immerfort, auch noch um 12 Uhr, als ich von Bauers zurückkehrte. Es bleibt aber immer dasselbe. Für länger kommst du nicht mehr. Ich habe jetzt bloß einen großen Wunsch. Sollten deine Eltern doch raus müssen, dann bald, dass sie bald kämen und wir unser Leben zusammen einrichten. Alles für den Fall, wenn sie fort müssen. Sonst ist es ja besser, wenn sie die Heimaterde erhalten.