14.4.1952 Brief von Martha u. Bertha zu Richards Tod

Oma Bertha ist offensichtlich anläßlich des Todes nach Schwerin gereist ist. Ihre und auf der letzten Seite Oma Marthas in Süterlin geschriebene Zeilen lauten:

Schwerin d. 14.4.52.
Ihr lieben Kinder!
Ja, so ist das Schicksal! Mir ist es unbegreiflich, daß Pipi ein stiller Mann sein soll. Gestern und heute haben wir ihn in seinem Ruhekämmerlein besucht, er sieht aus als, ob er sanft schläft, das Gefühl überkommt einen, wenn man an seinem Sarg steht, er muß die Totenstarre ab werfen, sich aufrichten und mit uns sprechen. Deine Mutter ist sehr tapfer. Auch Oma Wische trägt dies Grausame mit Würde. Oma Rieke kann es nicht fassen, dat e leiw Jung nich mehr mit e sprekt. Wunderbar ist Pipi im Krematorium aufgebahrt. – Mein lieber guter Jung, warum durftest du deinen Vater nicht mehr wiedersehen. Worte reichen nicht aus, dich zu trösten. Wenn alles vorbei ist und deine tapfere Mutter zur Ruhe gekommen ist, dann will sie versuchen einen Pass zu bekommen. Nun darf sie auf niemand Rücksicht nehmen und für niemand Angst ausstehen. Ich glaube Ihr müßt aber erst eine Aufenthaltsgenehmigung senden, und einen Grund angeben, aus welchen Gründen sie kommen will. Es wäre Balsam für Eure Mutter, der Aufenthalt bei Euch, die Kinder würden den Schmerz lindern helfen. Annemiechen, du mußt dir ein Attest von der Ärztin geben lassen, daß du erholungsbedürftig bist und Mutti Bruno den Haushalt versehen soll. Am Sonnabend Nachmittag kam ich schon, bleibe bis Mittwoch d. 22. bei Mutti und Oma. Die Döberner werden ja sehr böse sein, das ich so lange mich schone. – Heute am 15. schreibe ich weiter. Mutti bekommt viel Beileidsbesuche. Heute besuchen wir unseren lieben Entschlafenen. Morgen ist der letzte Tag an dem er auf dieser Erde noch weilen darf. Mutti tut mir leid, das so plötzlich alles anders wird. Schreibt bitte bald. Mein lieber guter Jung sei so tapfer, als deine Mutti ist. In Liebe grüßt Euch Eure Oma.


Oma Marthas anschließender Brief lautet:


Meine lieben Kinder!
Heute nachmittag 15:30 haben wir unsern geliebten Pipi zur ewigen Ruhe geleitet. Mein lieber Junge es ist ein großer Schmerz für Euch und auch für mich, daß Ihr fehltet. Viel, viel Liebe und Verehrung sind mir bewiesen. Pipi schlief unter lauter Blumen, man kann echt sagen es war ein Meer von Blumen unter dem er aufgebahrt war. Unser lieber alter Pastor Engelke sprach so tröstend und ehrfühlich, das er für alle die daran teilnahmen ein … … . Auch für Euch in der Ferne sprach er ein stilles Gebet. Von der Handwerkskammer nahmen 12 Herren und einige Damen teil, sowie der  …geschäftsführer und ich habe die Gewißheit erhalten, daß Pipi sich in der kurzen Zeit seiner Zugehörigkeit zur Kammer viel Liebe und Achtung erwarb. Viel, viel Menschen drückten mir die Hand, ich kann Euch heute noch nicht alles sagen, ich muß erst ein wenig Abstand gewinnen. Ein großer Trost ist mir Mutter Bertha, die liebe gute Seele. Nun grüße ich Euch still Eure Mutti
In den nächsten Tagen werde ich wieder Schreiben. Einen herzlichen stillen Gruß Eure Oma Wiesche